​Vermaledeites Marketing-Neusprech

01. 12. 2021

Sprachwandel. Mal wieder eine Trouvaille aus dem Archiv. Im September 2013 war Schreiber Koller noch Redaktor beim «Willisauer Bote». Damals kam ihm die Ehre zu, eine «Carte Blanche» zu verfassen, als der Böttu erstmals in neuem Kleid erschein. Dazu zog er ordentlich vom Leder und lästerte über Marketing-Neusprech.

Und heute? Sprache lebt, Sprache wandelt sich; (gewisse) Menschen werden offener. Besagtes Grünzeug hat es dem Schreiber mittlerweile regelrecht angetan. Anglizismen lösen bei ihm immerhin keinen Brechreiz mehr aus. Und ja: den einen oder anderen hat er auch schon selber in Texte eingebaut. Die Liebe zur verspielten Sprache indes, die ist geblieben. 

Lauch und andere Unwörter

Jetzt ist es offiziell. Auch in der behäbigen Schreibstube am Viehmarkt 1 sind sie angekommen, die Marketing-Unwörter. Wir, die wir die elegante Sprache hochhalten, schon mal einen herrlich veralteten Begriff einfliessen lassen und mitunter einen aus unserer Mundart. Auch uns hat dieses Mödali erreicht.

Mit der heutigen Ausgabe ist dem «Böttu» ein «sanfter Relaunch» widerfahren – ein gelungener, notabene. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich stolpere jedes Mal über diese Aneinanderreihung von Buchstaben und baue im Kopf unwillkürlich einen Relauch zusammen. So ein Chabis! Als Kind konnte ich Lauch nicht ausstehen, heute verschmähe ich ihn etwas weniger. Ob meine Abneigung gegenüber neudeutschen Wörtern dereinst ebenso abnimmt? Ich wage es zu bezweifeln.

Vermaledeite Modeausdrücke! Auch im Hinterland ist längst jede Hondsverlochete ein Event, jedes noch so kleine Budali hat einen CEO. Anglizismen verunstalten unsere Sprache. Weitere Beispiele gefällig? Ein Branding hat nichts mit der Feuerwehr zu tun, sondern mit dem Aufbau einer Marke. Ein Eyecatcher ist kein Werkzeug zum Öffnen des sonntäglichen Dreiminuteneis. Vielmehr etwas, das dem Betrachter ins Auge springen soll. 

Als wir den Wettbewerb für das neue Gewand unserer Zeitung ausschrieben, führte dies zu Pitches. Bahnhof? Pitch ist die Kurzform von Pitching. Immer noch Railway-Station? Ein Pitching ist die Präsentation von Kampagnenstrategien und Layouts einer Werbeagentur vor Kunden. In einer solchen Agentur arbeitet vielleicht ein Junior-Back-Office-Agent. Was der macht? Ich will es gar nicht wissen! Auch nicht, ob er vor dem Briefing zum Kickoff noch an einem Businesslunch mit dem Art Director war, oder ob dieses Timeout seinen Workflow zu sehr beeinträchtigt hätte.

Engstirnig? Ewiggestrig? Nicht doch! Sprache wandelt sich. Das war immer so und wird immer so sein. Aber jedem Gitzimischt sollten wir Schreiber vom Viehmarkt 1 trotzdem nicht nachrennen.

Foto: Immo Wegmann