Wer nennt sich schon freiwillig Dummbeuthl?

WB Quattro Nr. 6, 05.02.2004
«Carte Blanche»

Schweiss rinnt mir über die Stirn, das T-Shirt klebt am Oberkörper – es ist mindestens 30 Grad heiss –, grelles Licht blendet mich. Siebeneinhalb Stunden lang, nein, ein ganzes Jahr haben wir auf diese sechzig Minuten gewartet, die bald vorbei sein werden. Um siebzehn Uhr sind wir im Lokal eingetroffen, erst nach Mitternacht durften wir auf die Bühne. Und: Ein ganzes Jahr ist es her, seit wir das letzte Mal vor Publikum gespielt haben.

Der Schlagzeuger zählt zum letzten Stück an. Das einzige Cover des heutigen Abends. Die restlichen Lieder haben wir selber geschrieben. Wie sie wohl angekommen sind? «Ein furchtbares Gepolter», nennt es mein Vater. «Ein bisschen besser, aber immer noch schlimm», lautet das Urteil meiner Liebsten.

Wieso tun wir uns das an? Wir, das sind Dummbeuthl. Eine Band, bestehend aus vier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ein Künstler, ein Student, ein angehender Lehrer und ein Private Banker. Das einzige was uns verbindet, ist unsere Liebe zu harter und lauter Musik. Überdies sind wir alle vier unendlich grosse Kindsköpfe. Wer nennt sich schon freiwillig Dummbeuthl?

Wir sind eine Kultband. Unsere Geschichte ist geprägt von Misserfolg. Mehr als fünf Jahre besteht die Kapelle mittlerweile. Dennoch standen wir erst 15 Mal auf der Bühne. So viel macht eine ordentliche Tanzmusik in drei Monaten. Doch vielleicht gehört das Verlierer-Image ein bisschen zum Konzept. Kann es nicht auch erfolglose Kultbands geben? Dummbeuthl sind Kultbeuthl!

Dummbeuthl waren Kultbeuthl. Dieses Foto entstand zwischen 1999 und 2002. Damals war die Combo noch zu fünft unterwegs. Mit auf dem Bild: der angebliche Manager der Band, Kater Nepomuk.

Zurück ans Konzert. Wir haben den Abend verflucht. Siebeneinhalb Stunden sind lang. Wir sind herumgetigert, versuchten die Zeit totzuschlagen. Mit Alkohol lässt sich die Warterei nicht verkürzen. Wir wollen uns nicht blamieren; wollen zeigen, was wir können. Kaffee wäre ebenfalls gratis. Aber nervös sind wir schon genug. Fünf Jahre lang machen wir jetzt zusammen Musik – und sind vor jedem Auftritt immer noch aufgeregt wie Ministranten vor ihrer ersten Messe. Die Jungs der zwei Vorbands gehen das Ganze deutlich gelassener an.

Die Hauptprobe am Vorabend verlief blendend. Ein schlechtes Omen. Und tatsächlich: Ich bin verkrampft, verliere meine nervöse Anspannung erst nach dem vierten Lied, komme gar erst kurz vor Schluss richtig in Fahrt. Bereits nach dem zweiten Stück reisst bei der Gitarre eine Saite. In ordentlichen Bands steht für solche Fälle ein Ersatzinstrument auf der Bühne. Nicht so bei Dummbeuthl. Zwei Stücke später schon wieder ein Riss. Dieses Mal im Fell einer Trommel des Schlagzeuges. Der Drummer der vorherigen Band hilft aus. Technische Probleme gehören zu einem Konzert wie das Gelbe zum Ei. Der gekonnte Umgang damit zeichnet Profis aus. Wir irren unkoordiniert über die Bühne. Wenigstens überbrückt unser Sänger die unfreiwilligen Pausen mit ein paar Kalauern und sonstigem Geschwätz. Oder mit Geschichten wie jener von Christoph, dem südjemenitischen Kurzhaar-Kunstkampfhamster. Eigentlich gehört so was nicht an ein Konzert. Aber wir sind Dummbeuthl. Was zwischen den Liedern geschieht, ist eben fast so wichtig wie die Musik selber.

Das Konzert ist vorüber. Wir umarmen uns im Backstageraum, dem für Bands vorgesehenen Kabäuschen hinter der Bühne. Ich bin mit meiner Leistung nicht zufrieden, habe gespielt wie der Laienhafteste unter den Dilettanten. Den anderen hats nicht schlecht gefallen. Dem Publikum scheinbar auch. Es fordert zum zweiten Mal eine Zugabe. Und das ist das Wichtigste. Das entschädigt für Alles.

© David Koller, 2004

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