​Von Water- bis Ibizagate

25. 05. 2019

Textsplitter. Wieder ist es passiert. Auf einer Baleareninsel demonstrierten alkohol- und testosterongeschwängerte österreichische Rechtspopulisten ihr höchst sonderbares Demokratieverständnis. Dumm für sie, dass sie dabei gefilmt wurden. Wirhaben wir ein Ibizagate.

Es ist dies ein Gate von vielen. Apples neuestes überteuertes Telefon lässt sich nicht richtig laden, Journalisten schreiben von Chargegate. Vom Badener Stadthaus aus will ein Politiker eine Frau beglücken, indem er seine Körpermitte ablichtet. Wir haben ein Gerigate. In Italien vergnügt sich ein machtgeiler seniler Politiker mit einer viel zu jungen Frau Namens Ruby, wir haben ein Rubygate. Im Aargau müssen sich zwei Polizisten rechtfertigten, weil sie eine angefahrene Katze ihrem Schicksal überlassen, in den Medien ist die Rede von Büsigate.

Welle schwappt über Atlantik

Es gibt gute und schlechte Wortkreationen. Das Suffix -gate zur Benennung einer Ungereimtheit ist definitiv eine gute. Irgendwann indes ist selbst die beste Idee ausgeleiert. Ihren Ursprung hatte sie in der Watergate-Affäre, die 1974 im Rücktritt des amerikanischen Präsidenten Nixon gipfelte. Dessen Helfer waren zuvor in einen Gebäudekomplex Namens Watergate eingedrungen, dem Hauptsitz der politischen Gegner. Seither dient der Zusatz -gate, um einen Skandal zu markieren – oder eben ein Skandälchen, wenn überhaupt.

Der Anfang allen Übels: Der Watergate-Komplex in Washington D.C. Foto Shutterstock

Richtig in Fahrt kam die Wortspielerei im Jahr 2004, als Popstar Justin Timberlake ungewollt die Brust seiner Duettpartnerin Janet Jackson entblösste. Dumm für ihn, dass dies in der Halbzeitpause des Superbowls geschah, dem amerikanischen Sportereignis schlechthin. Die halbe Nation schaute zu. Nipplegate sorgte in den puritanisch-prüden USA für rote Köpfe und absurd hohe Bussen. Und diesseits des Atlantiks für eine Flut von vermeintlich kreativen Wortkreations-Gates.

Genug jetzt!

Mit Blick auf die Tragweite des Skandals in Österreich ist es legitim, von einem Ereignis im Ausmass von Watergate zu sprechen. Meistens aber ist die Wortspielerei fehl am Platz – überdies wird sie geradezu inflationär verwendet; zumal nach Ibiza eine neue Welle auf uns zurollen dürfte.

Gewisse Sprachempfindliche ertragen es nicht mehr, leiden an einer veritablen Gate-Allergie. Im Namen aller Geschädigten rufen wir deswegen – für einmal auf Bern- statt Neudeutsch: «Fertig jetzt! Es gate uf d’Närve.»